Die Erde wird zu einem schönen und friedlichen Garten Eden mit Bäumen darin. Das Ökosystem aller Bäume funktioniert so, dass sie leben, wachsen und sich entwickeln, Früchte tragen, bis sie später ihrer bestimmten natürlichen Natur gemäß verwelken und absterben. Leider ist das im menschlichen Leben nicht immer der Fall; es gibt Menschen, die kooperieren, aber auch Menschen, die konkurrieren, und es gibt auch Konflikte.
Eine Religion oder Weltanschauung, ob institutionalisiert oder nicht, ist wie ein Baum. Ein guter Baum, dessen Wurzeln in die Erde wachsen, sein Stamm ragt gen Himmel. Er produziert Sauerstoff und trägt Früchte während einer bestimmten Jahreszeit. Genauso sollten gläubige Menschen sein. Alle gläubigen Menschen sollten anderen Menschen Vorteile und Gutes für sie erbringen. Gus Dur sagte: „Wenn du dich gut benimmst, werden die Leute nicht fragen, was deine Religion ist.“ Meine Arbeit mit dem Titel „Baum des Lebens“ versucht diesen Idealismus auszudrücken.
Alle Religionen und Glaubensrichtungen in Indonesien streben nach einem gerechten, friedlichen und erfolgreichen Leben. Aber das Verhalten ihrer Anhänger entspricht nicht immer den Glaubensvorschriften und religiösen Werten. Die Existenz von Egoismus auf allen Seiten, sowie externe Faktoren wie die Politik, die religiöse Gefühle für bestimmte Interessen ausnutzt, stellen die Quelle der meisten Problemen dar.
Jeder Baum des Glaubens, der im Garten Indonesiens wächst, sollte in der Lage sein, über die Natur zu reflektieren und so zu seiner wahren Natur finden. Bäume in der Natur sind kooperativ. Sie konkurrieren nur darum, ihre Rolle bestmöglich zu erfüllen, entsprechend ihrer jeweiligen Natur, jedoch nicht in Konflikt. Bäume müssen ihre Güte nicht bewerben, denn jeder und alles kann von ihnen profitieren. Die Bibel sagt: „Es ist nutzlos für sie, Gott mit ihren Lippen zu bekennen, denn ihre Herzen und Taten sind weit von Mir [Gott] entfernt.“
Über einen guten Baum nachzudenken bedeutet also, so viel Gutes oder Nutzen wie möglich zu produzieren, um das angestrebte gemeinsame Leben zu erreichen, damit Vielfalt die soziale Solidarität nicht beeinträchtigt. Indonesien ist ein Garten mit fruchtbarem Boden für natürliche Bäume sowie Glaubensbäume. Die Pancasila ist das Gefäß, das zu einem Mittel wird, um Religionen und Glaubensformen in Indonesien zu verbinden, um das ideale Zusammenleben zu erreichen. Unabhängig von der Form des Glaubensbaumes können sie alle dazu beitragen, den indonesischen Garten farbenfroh zu machen, ohne die Wichtigkeit anderer Bäume übertreffen zu wollen oder zu leugnen.
Wenn die Anhänger von Religionen und Weltanschauungen ihr eigenes Potenzial maximieren und sich auf sich selbst konzentrieren können, um Früchte und Nutzen zu bringen, werden externe Faktoren wie die Politik des Gegeneinanderausspielens nicht erfolgreich sein. Glaube ist etwas, das man nicht erzwingen kann. Einander zu respektieren ist die Lösung, um Harmonie zu erreichen. Und die Unterschiede, die bestehen, können wohlüberlegt und mit kühlem Kopf thematisiert werden. Dialog ist auch ein Bemühen, ein kollektives Bewusstsein und Antworten auf die Probleme des gemeinsamen Lebens zu finden.
Reflektierte Religion und reflektierter Glaube sind eine göttliche Lebenspraxis, in der die ideologischen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekte des Lebens auf der Grundlage einer wissenschaftlichen und natürlichen Sichtweise geordnet werden, wie sie das Universum implementiert hat. Wenn unser Leben auf dem Weg zur Essenz und der Existenz der göttlichen Wahrheit ist, dann wird die Existenz unseres menschlichen Lebens zur Frucht eines gesegneten Lebens in Harmonie und Frieden sein.
Wie ein Baum in seinem Ökosystem, ist der Mensch ein einzelnes Wesen, dessen Position, wie die des Baumes, die eines Dieners ist, dessen Meister Gott selbst ist. Spiritualität sollte so hell sein wie das Licht einer großen Kerze. Wenn das Licht verschiedener Kerzen einer Gemeinschaft gesammelt wird, so wird dieses gemeinschaftliche Licht zu Gottes ‚Stadt des Lichtes‘: ein Ort des Friedens und ein Segen für das Universum.
Anmerkung zur Übersetzung
- Gus Dur (1940-2009), dessen bürgerlicher Name Abdurrahman Wahid war, war ein indonesischer Politiker und spiritueller Führer und setzte sich vor allem auch für den interreligiösen Dialog und Frieden zwischen den Religionen ein. Er war indonesischer Präsident zwischen 1999-2001 und leitete lange Zeit die größte muslimische Organisation Indonesiens Nahdlatul Ulama. Aufgrund seines Engagement für Frieden und Interreligiösen Dialog wurde er auch von nicht-muslimischen Indonesiern hochgeschätzt.
- Der von der Künstlerin benannte Bibelvers bezieht sich auf: Matthaeus 15: 7-9: „Ihr Heuchler, wohl fein hat Jesaja von euch geweissagt und gesprochen: Dies Volk naht sich zu mir mit seinem Munde und ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir; aber vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschengebote sind.“
- Pancasila ist die Staatsideologie Indonesiens. Sie besteht aus fünf Prinzipien, welche in der Präambel der indonesischen Verfassung genannt werden:
- Der Glaube an den Einen Gott (Ketuhanan Yang Maha Esa)
- Gerechte und zivilisierte Menschlichkeit (Kemanusian yang adil dan beradab)
- Nationale Einheit Indonesiens (Persatuan Indonesia)
- Demokratie geleitet von der inneren Weisheit in der Einstimmigkeit, die sich aus den Beratungen der Abgeordneten ergibt (Kerakyatan yang dipimpin oleh hikmat kebijaksanaan dalam permusyawaratan/perwakilan)
- Soziale Gerechtigkeit für alle Menschen Indonesiens (Keadilan Sosial bagi seluruh masyarakat Indonesia)